Tiffany La von Wundercurves im Interview

Ein Artikel von  Christiane  christiane-seitz

"Dicke waren schon immer dick!"

"Wie ist die nur so dick geworden", denken sich viele, wenn sie übergewichtige Menschen sehen. Ob auf der Arbeit, beim Einkaufen oder einem Kinobesuch, Betroffene werden mit abschätzigen Blicken und Kommentaren konfrontiert.

Dieses Jahr steht im Zeichen der Vorurteile gegen Dicke, weshalb wir jeden Monat ein neues unter die Lupe nehmen. Für das aktuelle Vorurteil "Dicke waren schon immer Dick" haben wir unsere Tiffany interviewt. Sie strotzt vor Selbstbewusstsein, was sie auch täglich ausstrahlt. Uns erzählt Tiffany ganz offen, wie sie von Größe 34/36 über die Jahre zu einer 48 wurde und wie sie mit dem Vorurteil umgeht.

Tiffany La von Wundercurves

1. Seit wann bist Du kurviger bzw. übergewichtig?

Ich habe früher tatsächlich eine Größe 34/36 getragen und war von klein auf ziemlich schlank. Ich kann also nicht für das Klischee sprechen, dass Dicke schon immer dick waren.

Mit 12 Jahren habe ich in der Tanzschule angefangen und meine Liebe zum Standard- und Lateintanz gefunden. Dort habe ich sogar in einer Formation getanzt und mich an Turniertanz herangewagt, weshalb ich für lange Zeit ein hohes Sportpensum von fast 6 Tagen die Woche hatte. Weil ich aber viele Probleme zu Hause mit meinen Eltern und auch in der Schule hatte, musste ich das Tanzen aufgeben.

Mein Körper kam mit der hohen physischen und psychischen Belastung nicht mehr zurecht. Mir fehlten die richtigen Ansprechpartner, um meine Sorgen zu kommunizieren. weshalb ich zusätzlich aus emotionalem Frust viel Essen in mich hineingefuttert habe. So habe ich schleichend zugenommen, aber nicht an Selbstvertrauen verloren.

Tiff im Wundercurves Interview

2. Weißt Du wie das mit den kurvigen Menschen aus Deinem Umkreis war?

Tatsächlich war ich immer mitunter die kurvigste in meinem Freundeskreis, auch nicht anders in der Schule oder Arbeit später. Ich kann von Glück sprechen, dass ich mit selbstbewussten und starken Frauen und Männern umgeben bin, die einander supporten und Kraft schenken. So war ein dummer Spruch von jemand Fremden schnell vergessen.

3. Wie sehr stören/nerven Dich solche Klischees über Plus Size Menschen?

Die Frage ist doch eher, warum wir Klischees brauchen. Ich verstehe, dass wir die Welt verstehen wollen und wir oft als Orientierung Dinge und auch Menschen verallgemeinern, kategorisieren und einordnen wollen. Aber hier liegt auch die Gefahr, dass wir nicht über diese Schublade hinaus weiterdenken können und vielen Menschen bestimmte Fähigkeiten nicht zuschreiben aufgrund oberflächlicher Merkmale.

Wir sind faul, da wir uns mit diesen Hinweisschildern und Stereotypen durchs Leben mogeln. Mich stören Klischees jeder Art - ich habe auch ein asiatisches Aussehen, aber bin schlecht in Mathe und kann keine einzige Musiknote lesen.

Im Zusammenhang mit Klischees gegenüber mehrgewichtigen Menschen gibt es überwiegend negative Vorurteile, das verletzt mich am meisten. Ich fände es schön, wenn wir (auch ich), öfter Vorurteile hinterfragen und auf direkte Kommunikation gehen.

4. Wie gehst Du damit um bzw. wie reagierst Du, wenn Du persönlich mit solchen Vorurteilen konfrontiert wirst?

Ich bin relativ schmerzfrei, was direkte Kommunikation angeht 😄 Ich trage mein Herz auf der Zunge, entsprechend direkt geht es zur Sache, wenn mich etwas stört oder wenn jemand Blödsinn (unberechtigte Vorurteile) anbringt.

Zu oft lässt man so etwas über sich ergehen und gibt nicht Kontra - ergo denkt der oder die andere, dass so ein Vorgehen normal und angebracht ist. So ein Verhalten muss unterbunden werden, am besten direkt die Person damit konfrontieren, damit sie es verstehen und nachvollziehen kann. Wir müssen mehr Nein, mehr Stopp sagen! Sich zuliebe und um anderen Mut zu machen.

5. Gibt es überhaupt Klischees über dicke Menschen, Die in Deinen Augen zutreffen - oder solche, die Du gerne kreieren und hören wollen würdest? Positivere?

Das würde das Schubladendenken nur fördern! Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass weiche, pralle Haut weniger zu Falten neigt 🙂

Tiff im Interview mit Wundercurves

6. Liegt Dein Körpertyp in der Familie?

Nein absolut nicht. Fast alle Frauen in meiner Familie sind klein, schmal, fast schon zierlich. Ich war daher mit meiner breiten Hüfte, die ich schon ab 12 Jahren bekommen habe, etwas Besonderes.

Wie ein Alien wurde ich bei meinem ersten Besuch in Kambodscha angestarrt mit meinen 1,70m. Meine Mutter hatte eine tolle Sanduhrfigur auf 1,55m verteilt.

Ich bin mir sehr sicher, dass das Einhalten des Schönheitsideals in Asien noch sehr viel stärker ausgeprägt ist als hier in Europa und die Frauen zu viel mehr Opfer in Form von Schönheitsoperationen, aufhellende Cremés und unrealistischen Crash-Diäten bereit sind.

7. Hast Du schon mal versucht, Deine Ernährung umzustellen? Hatte das Auswirkungen auf Dein Gewicht?

Ich habe schon dutzende Videos, Artikel, Dokus gesehen und gelesen. Ernährung fasziniert mich, da sie einen nicht unwesentlichen Anteil an unserem Leben und Wohlbefinden haben.

Wir vergessen oft, auf unseren Körper zu hören, ihn richtig zu deuten und ihm das zu geben, was er braucht. Ich habe wenige Male versucht, meine Ernährung umzustellen, diese waren allerdings mit vielen Restriktionen verbunden, weshalb das Durchhaltevermögen schnell darunter litt. Ich bin mehr dafür, sich clean und bewusst zu ernähren. Stärke mit Deinem Essen Deinen Körper und verwöhne mit Leckereien Deinen Geist und Deine Seele - alles in Maßen, bewusst und mit Freude!

Tiffany La

8. Glaubst Du, dass jeder Mensch seine Figur selbst kontrollieren kann?

Ich denke, bis zu einem bestimmten Punkt ist das möglich. Oft spielt uns unsere Psyche einen Streich und schickt uns die falschen Signale, um emotionalen Stress, Angst oder Unzufriedenheit in Form von Essen zu kompensieren. Das kann natürlich auch in Richtung Alkohol, Drogen oder sonstige Abhängigkeiten zu Menschen oder anderen exzessiven Hobbies gehen.

Es gibt so viele Betroffene, die mit Krankheiten wie Lipödem/Lymphödem, Adipositas, Hashimoto, Schilddrüseunter- oder überfunktion etc. sich jeden Tag hart erkämpfen müssen und die keinen bis sehr bedingten Einfluss auf ihren Körper haben. Jeder trägt sein Päckchen mit sich - Warum also über jemanden urteilen, den man nicht kennt?

9. Wie würdest Du damit umgehen, wenn Deine Kinder erste Anzeichen von Übergewicht zeigen würden?

In jedem Falle sich nicht stressen lassen und auch nicht von anderen nervös machen lassen! Wir Menschen sind nicht in DIN-Normen eingeteilt, deshalb ist die Betitelung "Übergewicht" für mich schon falsch.

Diversität in allen Formen und Farben würde ich gerne meinen Kindern von Anfang an auf den Weg geben und dass es nicht schlimm ist, "anders" als die anderen zu sein, eher ein Kompliment an die eigene Person und Persönlichkeit, nicht im Mainstream (mit) zu schwimmen. Trotzdem möchte ich natürlich auch darauf achten, dass meine Kinder gesund sind, sowohl physisch als auch psychisch, und mit ihnen reden, wenn sich ihr Körper verändert, ob sie sich wohlfühlen oder sie etwas stört, das sie (noch) nicht richtig artikulieren können.

Auf keinen Fall will ich meinen Kindern Druck machen, um in eine bestimmte Konfektionsgröße gemäß ihrem Alter/Größe/Geschlechts zu passen. Meine Eltern haben leider sehr negativ, ohne Verständnis und den Standard-Diät-Tipps auf meine körperlichen Veränderungen reagiert. Das sitzt bis heute tief und diese Erfahrung möchte ich nicht an meine Kinder weitergeben.

Vielen Dank für das spannende Interview und die offenen Worte!